Zur Entwicklung der Grubenwehren im Mansfelder Kupferschieferbergbau

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1950 wird auf dem Clothilde-(Max-Lademann-) Schacht in Eisleben die Bezirksrettungsstelle der Grubenwehren angesiedelt, wo sie bis 1970 für die Ausbildung der Grubenwehren des Erz-, Kohle, Kali- und Spatbergbaus dieses Raumes und die Bereitstellung einer Einsatzbereitschaft verantwortlich ist.



Der hier eingestellte Artikel wurde vom Verfasser 2016 überarbeitet und inhaltlich wesentlich erweitert. Die umfangreiche Neufassung ist als pdf-Datei verfügbar

1. Vorbemerkung

Es ist keine Neuigkeit, dass der Beruf des Bergmanns, ja der Bergbau schlechthin lehrt, mit der Gefahr zu leben. Dies resultiert aus der Tätigkeit unter der Erdoberfläche, aus der Tätigkeit im künstlichen Licht und der räumlichen Enge mit den sich daraus ergebenden besonderen Bedingungen für die Ausführung sonst ganz banaler Tätigkeiten. Hinzu kommt die Notwendigkeit zur künstlichen Aufrechterhaltung der klimatischen Lebensbedingungen für den Menschen durch die Wetterführung, die oft ungenügende Kenntnis über die in der Grube und auf die Grube wirkenden natürlichen Einflussfaktoren wie Gebirgsdruck, Wasser- und Gaszutritt und dergleichen mehr. Diese Bedingungen, die sich mit zunehmender Teufe und Technisierung noch verschärften, führten zu allen Zeiten und in allen Bergbauzweigen zu Verlusten an Menschen und Material, ja ganzen Gruben. Der Kupferschieferbergbau stellte da keine Ausnahme dar. Hier sind neben Vorkommnissen durch Steinfall und im Förderprozess, den statistisch unfallträchtigsten Tätigkeiten, vor allem Gas- und Wasseraustritte, sowie Grubenbrände zu nennen. Letztere wirken sich besonders schwerwiegend auf die Lebensfunktionen des Bergmanns unter Tage aus, da sie Veränderungen in der Zusammensetzung der Wetter verursachen. Vor allem die Verringerung des Sauerstoffgehalts der Wetter unter den Normalwert von 21 Vol.- % und/oder die Beimischung von brennbaren oder giftigen Komponenten (Methan, Schwefelwasserstoff, Kohlenmonoxid) durch Gasaustritte oder Grubenbrand schränkten die Handlungsfähigkeit ein und führten in vielen Fällen zum Tode.


2. Entwicklung des Grubenrettungswesens

Ein organisiertes Grubenrettungswesen entwickelte sich in allen Bergbauzweigen, also auch im Kupferschieferbergbau allmählich, nachdem es die technischen Möglichkeiten gestatteten, einen von der Umgebungsluft unabhängigen Atemschutz bereitzustellen. Erste Angaben zur Bildung von Grubenwehren im Kupferschieferbergbau gibt es vom Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts. Bereits 1930 berichtet GÄNGEL in Nappian und Neuke darüber am Beispiel des Vitzthum-Schachtes Die Notwendigkeit der zentralen Organisation ließ 1907 einen Grubenwehrstützpunkt, der für ganz Mitteldeutschland und damit auch für den Kupferschieferbergbau zuständig war, in Halle/Saale entstehen. 1938 erfolgte die Umbildung zur Bezirksrettungsstelle. Sie wird 1950 auf dem Clothilde-(Max-Lademann-) Schacht in Eisleben angesiedelt, wo sie bis 1970 für die Ausbildung der Grubenwehren des Erz-, Kohle, Kali- und Spatbergbaus dieses Raumes und die Bereitstellung einer Einsatzbereitschaft verantwortlich ist. Ab 1970 wurde die fachliche Anleitung der Grubenwehren und die Ausbildung von technischen Mitarbeitern (Gerätewarte) und leitenden Kräften (Oberführer) für die Grubenwehren der DDR von der Hauptstelle für das Grubenrettungs- und Gasschutzwesen in Leipzig übernommen. Sie betreute später auch die Gasschutzwehren in Tiefbohrbetrieben, Schwelereien, Kokereien und Hüttenbetrieben. Die Hauptstelle war ein Funktionalorgan der Obersten Bergbehörde der DDR. Die Arbeit der Grubenwehr, die in allen Betrieben, die untertägigen Bergbau betreiben, also auch im Mansfeld-Kombinat auf jeder Schachtanlage unterhalten werden musste, wurde deshalb seitens der zuständigen Bergbehörde im Zusammen-

hang mit der Kontrolle des Jahresbetriebsplans durch Bezirksinspektoren überwacht. Die 1965 innerhalb der Grubenwehren des Kupferschieferbergbaus mit Sitz in Niederröblingen gebildete Spezialistengruppe Taucher wurde fachlich angeleitet von der Taucherkommission des Seefahrtsamtes der DDR in Rostock. In jüngster Zeit werden die Grubenwehren fachlich von der Berufsgenossenschaft Bergbau betreut und in unserem Raum vom Bergamt Staßfurt beaufsichtigt. Die zuständige Zentralstelle für das Grubenrettungs- und Gasschutzwesen befindet sich weiterhin in Leipzig. Im Nachfolgebetrieb des Kupferschieferbergbaus, der GVV mbH Sondershausen, gibt es für die zur Stollenunterhaltung tätige Abteilung Bergsicherung keine eigene Grubenwehr mehr.

Die Aufgaben sind an das Bergwerk „Glück auf" in Sondershausen übertragen worden. Die Abteilung Bergsicherung der GVV mbH ist gehalten, einige Mitarbeiter als Geräteträger (sog. ortskundige Führer) bereitzustellen.


3. Regeln für Ausbildung und Einsatz der Grubenwehr

Eine Grubenwehr war und ist eine Organisation von Freiwilligen zur Rettung von in Gefahr geratenen Bergleuten und zur Verhinderung und Bekämpfung von Havarien. In den Grubenwehren des Mansfeld-Kombinates waren ausschließlich Betriebsangehörige aus möglichst vielen Berufsgruppen organisiert, um eine umfassende Einsetzbarkeit zu gewährleisten. Sie wurden nach strengen Kriterien (Gesundheit, Persönlichkeit) ausgewählt. Spezielle Qualifikationen, wie sie der Bergbau erforderte (Anschläger, Lokfahrer, Handhabung der Löschtechnik, usw.), wurden im Rahmen der Ausbildung erworben. Die Grubenwehren Sangerhausen und Niederröblingen hatten eine Sollstärke von je 50 Wehrleuten. Die Iststärke lag immer etwas darüber. Von den Mitgliedern der Wehr besaßen jeweils 15 % die Qualifikation eines Oberführers (ing.-technisches Personal), 15 % die eines Gerätewarts (Metallhandwerker), 20 % die eines Gruppenführers. Etwa 20 % der Wehrmitglieder gehörten der Spezialgruppe der Taucher an.

Die Leitung der Wehr mit der Hauptaufgabe der Gewährleistung der umfassenden Einsatzbereitschaft hatte der Oberführer. Er nahm diese Tätigkeit nebenamtlich wahr. Das einzige hauptamtliche Mitglied der Grubenwehr war ein Gerätewart. Er hatte die ständige Einsatzbereitschaft der Atemschutztechnik, für deren Wartung es spezielle Vorschriften gab, zu sichern. Die Ausbildung der Wehrmitglieder erfolgte monatlich und außerhalb der Arbeitszeit. Außerdem wurde jährlich ein Wochenlehrgang abgehalten. Besonderer Wert wurde auf die Gewöhnung an Sichtbehinderung, hohe Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit und die ständige Anpassung der Ausbildung an neue wissenschaftliche Erkenntnisse gelegt. Die Einsätze der Wehr erfolgten nach Einweisung durch den Oberführer ausschließlich in Gruppen zu 5 Mann unter der Leitung eines Gruppenführers. Ein Einsatz unter Gerät (Atemschutztechnik) begann auf Anweisung des Oberführers in der Bereitschaftsstelle, wenn eine zweite Gruppe mit Atemschutzgerät dort als Sicherheitsreserve bereitstand. In der Bereitschaftsstelle hielten sich weiter mindestens ein Gerätewart mit Verschleißmaterial (Sauerstoff, Alkalipatronen) und Prüfgerät für die Atemschutzgeräte, ein Arzt, ggf. weitere Hilfskräfte auf. Die Lage der Bereitschaftsstelle wurde von der Einsatzleitung über Tage festgelegt, zu der der Oberführer stete telefonische Verbindung hielt. In der Einsatzleitung war ebenfalls ein Oberführer anwesend. Auch für den Einsatz selbst gab es konkrete Einsatzvorschriften.


4. Ausrüstung der Grubenwehr

Die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände waren die Atemschutzgeräte. Ihnen galt die besondere Aufmerksamkeit in Ausbildung und Einsatz, denn von ihrem Funktionieren hing in jedem Fall das Leben des Wehrmanns ab. Es handelte sich um Geräte, bei denen die Atemluft im Kreislauf geführt, von CO2 befreit und mit Sauerstoff angereichert wird. Die Menge der eingeatmeten Luft wird dabei entsprechend dem Bedarf des Geräteträgers lungenautomatisch gesteuert. Die Geräte erlaubten, je nach dem mitgeführten Sauerstoffvorrat, eine Benutzung von etwa 2 bis etwa 4 Stunden, in denen man völlig unabhängig von der Außenluft agieren konnte.

Die Spezialistengruppe Taucher benutzte Druckluftgeräte mit 1 bis 3 Vorratsflaschen, die ebenfalls lungenautomatisch gesteuert die Luft abgaben, deren ausgeatmete Luft aber entwich. Die Benutzungszeiten liegen je nach Luftvorrat und Tauchtiefe max. bei etwa 2 Stunden. Die Taucher waren als sog. Schwimmtaucher (Nassanzug) und als schwere Taucher (Konstantvolumenanzug, z.T. Taucherhelm) ausgebildet. Außerdem besaß die Grubenwehr für die Absicherung der Tauchereinsätze eine transportable und in Niederröblingen eine stationäre Druckkammer.


5. Einsätze der Grubenwehr

Die Einsätze der Grubenwehr erfolgten sowohl planmäßig als auch durch Alarmierung. Planmäßige Einsätze wurden in der Regel genutzt, um zur Absicherung des laufenden Betriebsgeschehens in nicht bewetterten oder gaserfüllten Grubenteilen notwendige Kontrollen oder Reparaturen durchzuführen. Es wurden aber auch vereinzelt Streckenvortriebsarbeiten unter

Gerät vorgenommen, z.B. 1978 beim Aufschluss der sog. Hochscholle in Nienstedt wegen der Austritte von Stickstoff. Des weiteren waren in Sangerhausen solche Einsätze (monatlich 1 bis 6) regelmäßig zur Kontrolle von Wasserzuflüssen, die mit Schwefelwasserstoffaustritten verbunden waren, oder von unbewetterten Dammtoren nötig.

Die Spezialistengruppe Taucher leistete viele Einsätze zur Reparatur an Dämmen im eigenen Betrieb, zur Suche von Vermissten und zur Bergung von Toten oder Objekten aus Gewässern oder Schächten (Neuhoffnungs-Schacht in Ilmenau), zur Überwachung und Sicherung von Wasserkraftwerken (Vockerode, Markersbach), usw. Nicht unerwähnt bleiben darf der mehrfache Einsatz der Mansfelder Grubenwehren bei Katastrophen mit vielen Opfern in anderen Bergbauzweigen. Es ist hier zu denken an Schacht 250 in Niederschlema (1955), an Martin Hoop (1952) und Karl Marx (1960) in Zwickau.

Einsätze unter Alarmbedingungen gab es auch im Kupferschieferbergbau immer wieder. Erinnert sei nur an die größeren Einsätze, wie 1954 beim Brand in der Zahnradbahn im FortschrittSchacht 1, wie 1958 beim Wassereinbruch und wenige Wochen später bei einem Gasaustritt in der Folge eines Gebirgsschlages im Otto-Brosowski-Schacht. Hier musste um 1965 ein weiterer Grubenbrand bekämpft werden. Der bezüglich seiner Dauer, seiner Auswirkungen und der Anzahl der eingesetzten Grubenwehren bedeutendste Einsatz fand statt zwischen dem 19. Januar und dem 1. Februar 1987 im B.-KoenenSchacht Niederröblingen. Hier war in der 11. Sohle im Flügel 53 ein Gummigurtband in Brand geraten. Infolge des Brandes fanden 3 Bergleute den Tod. Zur Bekämpfung des Brandes von 3 Bereitschaftsstellen aus waren 97 Wehrleute der Schächte Niederröblingen und Sangerhausen, sowie 164 Wehrleute aus hilfeleistenden Wehren des Kali- und Spatbergbaus sowie der SDAG Wismut im Einsatz. Es wurden zur Suche der Vermissten, zur aktiven und passiven Brandbekämpfung und zur Überwachung des Abwetterstroms insgesamt 235 Einsätze von durchschnittlich 2 Stunden Länge gefahren, davon aus der Bereitschaftsstelle 11. Sohle 79, 10. Sohle 91 und Ackersohle Schacht II 65. Nach dem Ende dieser Phase der aktiven Brandbekämpfung wurden noch über Wochen Einsätze nötig zur Kontrolle und der Öffnung des durch Dämme abgeschotteten Brandfeldes im April 1987.


6. Schlussbemerkung

Abschließend lässt sich sagen, dass die Grubenwehren seit ihrer Entstehung stets eine hohe Einsatzbereitschaft an den Tag legten und so zur Sicherung der Produktion und zur Erhaltung des Lebens und der Gesundheit der Bergleute beitrugen ohne selbst Verluste an Menschenleben oder Unfälle beklagen zu müssen. Sie waren vor allem in den letzten Jahrzehnten bis zur Beendigung des Bergbaus ein zuverlässiger und selbstloser Bestandteil der Belegschaft.

Eine Gruppe der Grubenwehr beim Übungseinsatz.

*) Der Autor war Oberführer der Grubenwehr Sangerhausen 1975-1987, Niederröblingen 1987-1991.

01/2019

 

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