[098] Bleihütte bei Hettstedt


Die Hütte entstand 1723 auf dem Gelände der ehemaligen Kupferkammerhütte bei Hettstedt. Bis zur Stillegung im Jahre 1978 wurden hier neben Blei auch Zinksulfat und Vorprodukte zu Gewinnung von Spurenmetallen, wie Rhenium und Germanium, erzeugt.



Objektbeschreibung

Die Kupferkammerhütte bei Hettstedt nach einer Darstellung von Giebelhausen

Die Hettstedter Bleihütte entstand auf dem Hüttenareal der 1723 als Erzschmelzhütte gegründeten „Kupferkammerhütte".

Eine Besonderheit des Mansfelder Kupferschiefererzes ist sein polymetallischer Charakter, insbesondere der hohe Anteil an Blei und Zink sowie einer Vielzahl von Spurenelementen. Mit Beginn der Verwendung von Großschachtöfen bei der Verhüttung des Erzes in den 1870er Jahren machte sich aus technisch-technologischen Gründen und mit Blick auf die Belastung der Umwelt die Ausschleusung dieser als Flugstaub anfallenden Metalle aus dem Prozess der Kupfergewinnung und ihre separate Verarbeitung erforderlich. Nach Jahrzehnten des Suchens  nach einer für den Mansfelder Prozess optimalen Technologie wurden Anfang der 1920er Jahre  auf der bis um die Jahrhundertwende als Rohhütte arbeitenden Kupferkammer-Hütte in Hettstedt die Vorrausetzungen für einen neuen Betrieb geschaffen. Die Bleihütte entstand. Durch die laufende Weiterentwicklung der Technik und der Technologien in den folgenden Jahrzehnten stand mit Wiederaufnahme der Produktion  nach dem 2. Weltkrieg ein Betrieb zur Verfügung, der nachstehende Produkte herstellen konnte:

  • Werkblei:   In Schachtöfen erschmolzen, bis 1959 vor Ort entsilbert und raffiniert, gelangte es als „Orginal-Hütten-Weichblei, Marke Mansfeld"  in den Handel.
  • Blei-Kupferstein:  Er ging zurück in die Rohhütten nach Eisleben und Helbra und wurde wieder in den Verhüttungsprozess eingeschleust.
  • Farbzinkoxid:  Es entstand durch Weiterverarbeitung der zinkreichen Schlacke des Schachtofenprozesses sowie des Zinkklinkers,  der bei der Entbleiung der von den  Rohhhütten angelieferten Blei-Zink-Schlämme in Kurztrommelöfen anfiel. Farbzinkoxid wurde in der Farbenindustrie eingesetzt.
  • Flugstäube: mit  technisch interessanten Gehalte an Spurenmetallen.

Die in den Nachkriegsjahren vorgenommene Intensivierung der Kupferproduktion im Mansfeld Kombinat hatte gravierenden Einfluss auf die Arbeit der Bleihütte. Für die in zunehmenden Umfang anfallenden Flugstaubmengen, auf der Bleihütte als Schwelgut angeliefert, und die Veränderung des Blei/Zink-Verhältnisses im Schwelgut zu ungunsten des Bleis, waren die Technologien der Bleihütte immer weniger geeignet. Trotz großer Bemühungen um temporäre Lösungen, reduzierte sich die Tätigkeit der Bleihütte ab Ende der 1960er Jahre im Wesentlichen auf die Herstellung von Werkblei und Zinksulfat. Dabei spielte auch das Wegbrechen der Einsatzmöglichkeiten für das Zinkoxid in der Farbenindustrie aus Qualitätsgründen eine maßgebliche Rolle.

Die Vorlaufmaterialien wurden  in der letzten Phase der Produktion der Bleihütte in Drehrohröfen durch Verflüchtigung von Zink und Blei zu einem Mischoxid verarbeitet, aus dem Zinksulfat gewonnen wurde.

Den Blei-Rückstand dieser Verarbeitung schmolz man im Schachtofen zu Werkblei um und verkaufte dieses zur Weiterverarbeitung an die Bleihütte Freiberg.

Zinksulfat hatte in der Industrie genügend Abnehmer. In der 1968 neu erbauten Zinksulfatanlage fanden mit der Entwicklung der Sekundärmetallverarbeitung auch die dort anfallenden zinkhaltigen Stäube Verwendung.

Die alte Technologie des Wälzprozesses mit ihren gravierenden Mängeln in der Abgasreinigung führte zu intensiven Protesten der Bevölkerung. Sie wurde 1978 stillgelegt.

Die blei-zinkhaltigen Schlämme aus der Reinigung der Rohhüttenabgase lagerte man von diesem Zeitpunkt an auf dem Gelände der Rohhütte in Helbra. Sie sollten nach damaligen Vorstellungen mit einem neuen Verfahren verarbeitet werden.

Große Bedeutung besaß die Bleihütte als Produzent von Spurenmetallen aus den Stäuben, die bei der Verhüttung anfielen. So wurde aus verschiedenen Anreicherungsprodukten, die im technologischen Prozess der Bleihütte anfielen, ein Zwischenprodukt mit 40% Cadmium, Rhenium, Thallium, Jod  und Germanium hergestellt und in den Handel gebracht.

Die Produktionsanlagen der Bleihütte sind vollständig demontiert. Das Gesamtterritorium der ehemaligen Hütte und anliegende Bereiche mussten wegen der erheblichen Belastung der Umwelt mit Schwermetallen mit großem Aufwand saniert werden.


Zahlen und Fakten

Eine Besonderheit des Mansfelder Kupferschiefererzes ist sein polymetallischer Charakter, insbesondere der hohe Anteil an Blei und Zink, sowie eine Vielzahl an Spurenelementen

Die Großöfen für die Erzverarbeitung, wie sie ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Einsatz kamen, hatten in ihrem Gefolge im Mansfelder Verhüttungswesen eine neue Verarbeitungslinie, die Flugstaubverarbeitung.

Die höheren Temperaturen in den Öfen und die höheren Winddrücke und Windgeschwindigkeiten führten beim Verschmelzen des polymetallischen Kupferschiefererzes zu einer hohen Verflüchtigung der staubförmigen und leichtflüchtigen Elemente des Erzes und damit auch von Blei und Zink.

Das Bemühen um die energetische Verwertung der Gichtgase und auch umweltrelevante Vorsorge führte zur Abreinigung der Gase und Separation des Flugstaubes in Ofennähe durch Staubkammern und andere Staubabreinigungsanlagen.

Da man, wie anfangs gehandhabt, durch Rückführung der Stäube in den Schmelzprozeß eine Aufschaukelung des Gehaltes an schädlichen Metallen im Kupfer, insbesondere durch Arsen und Antimon, befürchtete, bemühte man sich sehr bald um eine separate Verarbeitung der Stäube.

Auf der Suche nach optimalen Technologien der Verarbeitung dieses komplizierten Vorlaufmaterial wurde von den Mansfelder Metallurgen viel, auch international anerkannte Forschungsarbeit, geleistet. Die Verarbeitung solcher ungünstig zusammengesetzter, zumal staubförmiger Materialien, gehört zu den schwierigsten Aufgaben in der Buntmetallurgie. Nach Jahrzehnte langem Bemühen der Erzschmelzhütten dieses Problem vor Ort und in eigener Regie zu lösen, entschied man sich, 1921 auf dem Gelände der ehemaligen Kupferkammerhütte dieses Problem zentral in Form einer eigenständigen Bleihütte anzugehen.

Der in den Gaswäschen der Rohhütten abgeschiedene Flugschaub wurde dort entwässert und in einem Schwelprozeß der teilweisen Entfernung der Bitumenbestandteile unterzogen.

Dieses als Schwelgut bezeichnete Material wurde in Kannen per Werksbahn auf die Bleihütte in Hettstedt transportiert. Die Zusammensetzung des Schwelgutes bewegte sich im Zeitraum von mehr als 50 Jahren, insbesondere in Abhängigkeit der in die Verarbeitung einbezogenen Abbaufelder im Bergbau und der Zuschlägearbeit in nachfolgenden Grenzen:

  • Blei: 5 – 15%;
  • Zink: 5 – 25%;
  • Kupfer: o,5 – 2%;
  • Silber: 0.o5 – 0,1%;
  • Schwefel: 10 – 17%
  • Antimon: o,5 – 1%;
  • Zinn: 0,5 – 1,5%;
  • Eisen: 1 – 3%;
  • Al2O3 – 3 – 5%;
  • CaO: 3 – 5%;
  • SiO2: 10 – 25%;
  • Bitumen: 1 – 5%;
  • Kohlenstoff: 8 – 12%.

Im Verlauf der Existenz der Bleihütte bis zur Schließung der letzten, dann bereits als Betriebsabteilungen der Kupfer-Silber-Hütte betriebenen Einrichtungen im Jahre 1990 wurden folgende Handels-Produkte erzeugt, die wesentlichen Anteil daran hatten, dass die Verwertung des Mansfelder Kupferschiefererzes ökonomisch sinnvoll war:

  • Orginal–Hütten–Weichblei,
  • Hütten– und Farbzinkoxid,
  • Bleimennige,
  • Zinkvitriol, Zement–Kadmium,
  • Rhenium,
  • Jod,
  • Thallium,
  • Germaniumkonzentrat,
  • Rohsilber,
  • Arsen–Antimon–Produkte

Für die Entwicklung der Technologie zur Gewinnung des Rheniums aus den Fugstäuben wurde Mansfelder Ingenieurwissenschaftlern der Nationalpreis der DDR verliehen.

Schema der Bleihütte - Aus „Die Gewinnung und Verarbeitung des Mansfelder Kupferschiefers“
(schematische Darstellung des Prozesses etwa ab 30er Jahre des 20. Jahrhunderts - Herausgegeben vom VEB Mansfeld Kombinat)

Mehr zu Hüttentechnologien siehe u.a HIER.


Zeittafel

[098] Zeitpunkt bzw.  von  bis Ereignis
1723 Gründung der Kupferkammerhütte als Erzschmelzhütte.
1913 Einstellung der Erzschmelzarbeit.
1921 Umbau der stillgelegten Erzschmelzhütte zu einer zentralen Verarbeitungsstätte für die blei/zink-haltigen Flugstäube der Rohhütten, zur neuen Bleihütte. 
1924 Inbetriebnahme einer eigenen Bleiraffinationsanlage
1927 Aufbau und Inbetriebnahme der Wälzöfen zur Entzinkung der Bleischachtofenschlacke
1928 Inbetriebnahme der 1. Zinkvitriolanlage
1930 In den 30er Jahren Weiterentwicklung und Optimierung  der Verfahren zur  Blei-Zink-Trennung in verschiedenen Ofentypen
1949 Aufnahme der Rheniumgewinnung aus den Flugstäuben und Herstellung von Thallium - und Jodverbindungen
1960 Aufnahme der Germaniumgewinnung aus den Flugstäuben des Bleischachtofens. .Auslieferung eines germaniumhaltigen Konzentrats zur Weiterverarbeitung 
1966 Aufbau einer neuen Zinkvitriolanlage
1966 Aufbau einer Anlage zum Umschmelzen von Zinkschrott 
1969 Einstellung der Farbzinkoxidherstellung in den Wälzöfen
1976 Einstellung der Bleierzeugung auf der Bleihütte. Weitergabe der bleihaltigen Rückstände aus der Zinkvitriolanlage zur Weiterverarbeitung an die Bleihütte Freiberg. 
1978 Einstellung der Verarbeitung des Rohhüttenflugstaubes (Theisenschlamm) auf der Bleihütte. Deponierung des weiter anfallenden Theisenschlamms bis zur Schließung der Rohhütte 1990 auf dem Gelände der August-Bebel-Hütte in Helbra.
1990 Einstellung der Zinksulfatproduktion und der Verarbeitung von Zinkschrott
 

(Letzte Aktualisierung: Januar 2019)

Weitere Informationen

  • Standortbeschreibung:

    Das ehemalige Hüttenterritorium in Hettstedt ist teilweise von der Stockhaus- bzw. Fabrikstraße (Querstraßen der B86 in Höhe Bahnhof Hettstedt) einzusehen. Das Gelände ist nicht öffentlich zugänglich.

  • Geodaten:
    51°37'55.06"N 11°30'26.53"E
Gelesen 7055 mal

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